Die Freiheitsliebenden
Den Ersten Weltkrieg beendeten Wilhelmshavener Matrosen für sich auf eigene Faust. Als die deutsche Admiralität sie am 29. Oktober 1918 zum "Todesritt" gen England schickte, setzten sie ihre Offiziere gefangen und kehrten mit ihren Schiffen in den Hafen zurück. Mit ihrer Meuterei begann die Novemberrevolution, die Deutschland zur Republik machte. Der Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmung ist so alt wie dieses Land. Bei Kalkriese im Osnabrücker Land vernichteten die Einwohner Nordwestdeutschlands im Jahre 9 drei römische Legionen, und erst nach dreißig Jahren erbitterten Widerstandes, 802/04, unterwarfen sie sich Kaiser Karl dem Großen. Damals war das heutige Niedersachsen das Kernstück des alten Sachsens, das von Westfalen und den Niederlanden bis an die Ostsee reichte.
"Wir regieren uns selbst!" erklärten um 1280 die Östringer Bauern. Die friesische Freiheit war berühmt. Auch Heinrich der Löwe, der mächtige Herzog des Sachsenlandes, wollte keinen Herrn über sich haben. Da schlugen der Kaiser und die anderen Reichsfürsten im Jahre 1180 sein Herzogtum in Stücke. Allein auf niedersächsischem Gebiet gab es danach vierzig selbständige Herrschaften..
Von da an entzieht sich Niedersachsens Geschichte jeder systematischen Beschreibung. Gebiete wurden vererbt, verteilt, vereinigt und verkauft, fremde Eroberer kamen und gingen. Erst nachdem der Kurfürst von Hannover in verschiedenen Erbgängen bis 1705 die Fürstentümer Göttingen, Calenberg, Grubenhagen und Lüneburg, die Grafschaften Hoya und Diepholz hatte vereinigen können, gab es in Niedersachsen wieder eine Macht, die selbst Geschichte machte.
Denn Hannover griff noch weiter aus: Kurfürst Georg Ludwig war 1714 als Georg I. König von England geworden. Als seine Nachfahren 1837 nach dem Ende der Personalunion nach Hannover zurückkehrten, gab es im heutigen Niedersachsen (neben Gebietssplittern auswärtiger Mächte) nur noch vier Staaten: neben dem Königreich Hannover das Herzogtum Braunschweig, das Großherzogtum Oldenburg und das Fürstentum Schaumburg-Lippe. Sie blieben - Hannover ab 1866 als preußische Provinz - bis 1946 erhalten und bildeten danach zusammen das Land Niedersachsen.
Die Obrigkeit hatte es nie leicht mit den Niedersachsen. Die hatten ihren eigenen Kopf wie Adolf Freiherr von Knigge, der in Hannover für die französische Revolution warb (aber nie eine Benimmfibel geschrieben hat). Wie die Gebrüder Grimm, die zu den "Göttinger Sieben" gehörten und aus Treue zur Verfassung ins Exil gingen, oder Clemens August Graf von Galen, der als Bischof von Münster mutig gegen den Terror der Nationalsozialisten predigte und als Exponent des "anderen" Deutschland weltweit bekannt wurde.
Oder August Heinrich Hoffmann von Fallersleben. Der wurde in seinem Leben 39-mal als "Aufrührer" ausgewiesen. Heute ist sein "Lied der Deutschen" ("Einigkeit und Recht und Freiheit") die Nationalhymne der Bundesrepublik Deutschland.